Yamahas
"Urban Fun Bike" MT-03 |
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Motorrad-Test Von Jochen Vorfelder | © ZEIT ONLINE Yamahas 2007er MT-03 könnte das rechtmäßige Erbe der legendären XT 500 antreten. Doch die Zeiten sind hart: Rauchen ist völlig out und der Teufel trägt Prada
Doch dann, von einem Tag auf den anderen, gelang einem japanischen Motorradhersteller, der bis dato nur durch die Produktion von kreischenden Zweitakt-Nervensägen aufgefallen war, die Auflösung des dialektischen Nebenwiderspruchs. Yamaha stellte 1976 auf der IFMA, der Vorläufermesse der Intermot, die XT 500 vor. Im Grunde war der Viertakt-Einzylinder technisch nichts Neues, aber der bollernde Eintopf begründete mit der Enduro-Klasse eine völlig neue Zweirad-Philosophie und wirbelte den Muff im Motorrad-Establishment gehörig auf. Wer es schaffte, die XT per Kickstarter zur Arbeit zu bewegen, galt als harter Hund und war ultracool. Rein in die Kiesgrube, auf in die Freiheit! Abseits der Autobahn und unter dem Pflaster lag der Strand. Mit XT und schwarzer Barbour-Jacke konnte man sich selbst in den Heidelberger Sponti-Kreisen sehen lassen. Und Helme – bevorzugt schwarz mit rotem Stern - waren ohnehin politisch korrekt, seit Joschka Fischer und die Frankfurter Putz-Truppe den Kopfschutz zum Demo- Accessoir des Jahres geprügelt hatten. Am Flair der knüppelharten Kerle und ihrer XTs fand auch das Kapital – in diesem Fall die Zigarettenindustrie - Gefallen. Diese Branche warb damals noch schamlos und auf großer Fläche: Im Jahr 1985 etwa setze Reemtsma in Kampagnen für die filterlose Marke "Reval" auf "Starke Typen auf der Suche nach dem Ausbruch aus dem Alltag". Dreckverspritzte Models lehnten - mit einer brennenden Reval im Mundwinkel - lässig an ihren XT 500. Das war damals Lebensgefühl pur. Reval-Werbung aus dem Jahr 1985 - © Museum der Arbeit/Werbemittelarchiv Reemtsma Heute, dreissig Jahre nach der Einführung des Kultgegenstands XT, hat Yamaha die Maschine mehrfach moderisiert und in heftig veränderter Form immer noch im Angebot – als XT 660 in der R-Ausführung als Enduro und in X-Version als Straßen-Supermotard. Doch seien wir ehrlich: Wer raucht heute noch mit ruhigem Gewissen Reval und wer fährt eine der neuen XTs? Im Gegensatz zum 1976er Original haben die aktuellen Ausführungen zwar einen stärkeren Motor mit Benzineinspritzung, einen geregelten 3-Wege-Katalysator und durchweg funktionierende Bremsen, aber nullkommanull Charakter. Wer drei Meter von der XT entfernt steht, könnte sie durchaus mit einer KTM, einer Honda oder einer anderen japanischen Enduro verwechseln. Und hier kommt endlich die MT-03, um die es schließlich geht, ins Spiel. Die MT-03 ist – auch wenn Yamaha sie so nicht vermarktet – nicht nur ein exquisites Beispiel für die „Urban Fun Bikes“ (O-Ton Yamaha), sondern die viel bessere XT. Aus guten Gründen. Hamburger Hinterland, zwischen Ratzeburg und Mölln. Die engen Landstraßen winden sich durch hüglige Forste und die 60-Kilometer-Beschränkung wegen des angeblich schlechten Straßenbelags ignorieren wir hier einmal geflissentlich: Dies ist eines der Reviere, in denen die MT-03 samt Fahrer sofort zuhause sind. Beim flotten Kurvenwedeln macht die kleine Yamaha schon nach kurzer Gewöhnung eine klasse Figur; mit der doppelten Scheibe vorne und dem unglaublich stabilen Lauf durch die Kurven stellt sich sofort ein Gefühl der Sicherheit ein. Mit einer wichtigen Einschränkung: Für Fahrer über 1,85 Meter Größe passt die Geometrie von Tank, Sitzbank, Fußrasten und Lenker nicht mehr; der Kniekehlenwinkel wird entschieden zu klein und schnell ermüdend. Der 660 Kubikzentimeter-Motor mit Benzineinspritzung – exakt das Aggregat, welches auch in der XT verbaut wird - leistet 45 PS. Das sind einige weniger als in der XT und mag beim heutigen PS-Feuerwerk auf dem Markt mickrig klingen. Doch in Verbindung mit nur 174 Kilogramm Gewicht, mit dem kurz gepackten Fahrwerk und der Konzentration der Gewichte kurz hinter dem Vorderrad reicht die Power allemal für flottes Fortkommen. Entscheidend ist die gefühlte Kraft, die durch die angenehm aufrechte Sitzposition, den breiten Lenker und den guten Durchzug des Motors zustande kommt. Knapp über 2500/min zieht die Maschine auch im dritten Gang noch richtig gut los und beschleunigt im Fünften bis auf 160. Doch in diesen Geschwindigkeitsregionen hält man sich mit der MT-03 nicht lange auf. Dauerfahrten über 135 und lange Geraden werden mit dem Spaßmobil noch langweiliger, als sie ohnehin schon sind. Die MT-03 verlangt nachgerade nach engen Ortsdurchfahrten und dem Abbremsen der Maschine durch Runterschalten; im Schubbetrieb patscht es gerne kernig aus den beiden Auspufftüten. Das hört sich gut an; die Fehlzündungen sind weitere Pluspunkte für das hohe Einzylinder-Fun-Ranking. Spaß macht die MT-03 später auch im Stadtverkehr. Rein nach Hamburg über die Ost-West-Straße, dann ab ins Gewirr der Ottensener Einbahnstraßen mit Kopfsteinpflaster. Mit angenehm engem Wendekreis läßt sich das Gefährt gut dirigieren und steckt das Hoppeln über die Bordsteine gut weg. Im ersten und und zweiten Gang ruckelt der Einspritzer leicht und verschluckt sich gelegentlich; doch mehr gibt es nicht zu kritteln. Auch der Verbrauch hält sich in Grenzen – er liegt über Land und in der Stadt immer zwischen 4,5 und 5,5 Liter Superbenzin auf Hundert Kilometern. Fakt also: Motor, die Federung mit der originellen Lage des gelben Sachs-Dämpfers neben dem Zylinder und das stabile Fahrwerk machen die MT-03 zu einem wesentlich attraktiveren Paket ist die XT. Doch vor allem: Bei der MT-03 hat die Yamaha-Designabteilung bewiesen, dass sie noch ein Gespür für Design und Zeitgeist hat. Vor dem Cafe König & König, dem Hauptquartier der Ottensener Geschmackspolizei, ist die Testfahrt zu Ende. Die kritischen Damen, die hier in der Oktobersonne sitzend den Straßen- und Fußgängerverkehr kommentieren, sind nur schwer zu beeindrucken. Doch es geschehen noch Zeichen und Wunder: „Oh, Jochen, die ist aber schnuckelig. Die könnte mir gefallen...Mußte die wirklich zurückgeben?“ Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Was die XT damals für die Jungs war, wird die MT-03 für die Damen im Sattel. Das ideale und gutmütige Einsteigermodell, so leicht zu führen wie ein Hündchen an der Leine. Und gleichzeitig so stylish, so feminin. Ein Fashionstatement, die rollende Prada-Handtasche. Warten wir auf den Tag, an dem Kate Moss eine MT-03 trägt. Die MT-03 gibt es nicht bei C&A oder bei H & M. Sie wird exklusiv vertrieben in ausgewählten Zweiradfachgeschäften der Marke Yamaha und ist erhältlich in den Modefarben des Frühjahrs 2007 Midnight Black, Liquid Bronze und White Metal. Passend zum Motorrad (und der großen MT-01 aus der gleichen Familie) gibt es die eigene Mode- und Accessoirlinie „MT-Lifestyle“. Der Preis der MT-03 liegt bei 6995 Euro. Für 199 Euro bietet der Zubehörhandel ein Umbau-Kit an, um die Sitzbank der MT-03 für Fahrerinnen 30 mm tiefer zu legen. |