Entlang der Costa Verde und der Costa do Sol

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19. Entlang der Costa Verde und der Costa do Sol

Florianopolis – Curitiba - São Paolo – São Sebastião / Ilhabela (28.11.) – Paratí (29.11.) – Angra dos Reis (07.12.) - Paratí (07.12.) – Angra dos Reis (11.12.) - Recreio dos Bandeirantes (11.12.) – Rio de Janeiro (13.12.) – Cabo Frio (14.12.) – Búzios (16.12.) – Guarapari / Praia Setiba (17.12.)

So, jetzt hieß es also wieder Abschied nehmen von der sehr lieb gewonnenen Insel Florianopolis und so packten wir unsere Sachen bei strömendem Regen ins Auto. Jetzt wurde es langsam eng, denn wir hatten ja auch noch zusätzlich unser Surfbrett unterzubringen, aber dafür hat Martin meine Skischuhe und anderen Kram mit nach Hause genommen. Danke nochmal!
Wir waren schon sehr gespannt, was das Land noch alles zu bieten hatte doch bevor es weiterging, wollten wir erst noch die Policia Federal in Floripa aufsuchen um unser Visum zu verlängern. Doch leider war unser Besuch vergebens, da wir vor Ablauf des alten Visums nur eine Verlängerung ab diesem Tag bekommen hätten und wir somit 3 Wochen verloren hätten. Dafür bekamen wir allerdings aufschlussreiche Informationen von dem netten Beamten. Und außerdem besorgten wir uns endlich die bitter benötigten Scheibenwischer, denn ohne hätten wir bei diesem Dauerbindfadenregen eh keinen Meter mehr fahren können.

Wir fuhren Richtung Curitiba, wo wir am nächsten Tag eine abenteuerliche Zugfahrt durch eine grüne hügelige Berggegend ans Meer unternehmen wollten. Doch scheiterte unser Vorhaben zum einen daran, dass wir keinen Zeltplatz fanden, bzw. der vorhandene Platz und die Umgebung waren nicht sonderlich idyllisch und uns hat keiner aufgemacht. Andernfalls wollten wir an einer Tankstelle übernachten aber da ließ sich in Stadtnähe auch nichts einladendes finden. Zum anderen spielte das Wetter nicht besonders mit und der andauernde Regen und Nebel hätten uns eh keinen besonderen Ausblick erlaubt. Also ging es die verregnete Strecke weiter Richtung Norden. Die Straßen waren überwiegend voll von LKW, darunter viele Autotransporte, aber wie sollen sie auch sonst etwas in Brasilien transportieren, Bahnstrecken gibt es eigentlich keine und das Land ist einfach riesig. Wir sahen nicht wenige Unfälle, Brasilien hat weltweit die meisten Verkehrstoten zu verzeichnen. Kein Wunder, die Brasilianer heizen ja auch wie verrückt und da wunderten uns die umgefallenen Anhänger oder von der Fahrbahn abgekommen oder ineinander gefahrenen Laster keineswegs. Immerhin wurde durch ausgerissene Pflanzen auf der Fahrbahn auf den Unfallort hingewiesen, aber als dann noch ein LKWs auf dem meterhohen Betonmittelstreifen festsaß wunderten wir uns dann doch mal. Ansonsten gab es immer mal wieder Fußgänger und Radfahrer auf den Seitenstreifen, die sich keineswegs von den vorbeidonnernden Lastern beirren ließen. Wo sollten sie auch sonst hin? Da wir ja nicht viel zu tun hatten, zählten wir mal für eine viertel Stunde, was so auf der Straße los ist. Wir kamen auf 62 LKWs, 24 PKWs, 1 Reisebus, 1 Unfall, 1 Moped und 4 Fußgänger.

Dass im Süden Brasiliens die deutschen Einwanderern dominieren, verrieten uns immer wieder Schilder mit deutschen Namen wie Schmit, Fischer oder Becker und Restaurantnamen wie „Gute Küche“ oder „Grün Wald“. Die Gegend war sehr abwechslungsreich, kurvig, hügelig und wieder saftig grün. Immer wieder fuhren wir an Häusern vorbei mit kleinen Fischweihern davor an denen die Tiere tranken, und immer wieder Bananenstauden (da geht dem Mathias das Herz auf) oder Palmen (da mir). Manchmal handelte es sich auch einfach nur um kleine Holzbaracken, die dicht an die Autobahn geklatscht sind und bei denen die Hunde oder Hühner im Hof herumliefen. An den Straßenrändern waren viele Geschäfte zu finden, die Kunsthandwerk, Textil- oder Lederwaren verkauften und mitten im Urwald gab es immer wieder Verkaufsstände am Straßenrand, die Bananen oder andere Früchte an den Mann bringen wollen. Der Nebel hing tief in den Bergen und wir haben uns schon unsere Gedanken gemacht, wie es damals die Eroberer schafften, sich durchs Dickicht zu schlagen und das Land für sich nutzbar zu machen. Ich wüsste gar nicht wo ich anfangen sollte… Aber wir haben ja auch keine Sklaven, dafür hatten wir glücklicherweise schon eine relativ gute Straße zur Verfügung, wenn man mal von den Löchern absah.
Wir ließen dann Curitiba hinter uns und übernachteten an einer größeren Tankstelle, wo wir uns noch ein Buffet gönnten, dass zwar mäßig lecker war, dafür war’s ziemlich billig! Und am nächsten Morgen gab’s noch eine recht ordentliche und heiße Dusche für umme dazu, da waren wir wieder versöhnt.

Je näher wir an São Paolo kamen desto dichter war die Besiedelung. Wir wollten einen großen Bogen um diese Millionenstadt machen, die nicht zuletzt „Ruhm“ durch ihre horrende Anzahl durch Schusswaffen getöteter Menschen erlangte. Die Küstenorte waren arm, die Hochhäuser oder Slums drängten sich bis an die mehrspurige Autobahn, der Verkehr wurde dichter und trotz des Dschungels war es dort an der Peripherie einfach hässlich! Vor dem angrenzenden Hafenort Santos (kannten wir ja schon) war die Luft vom Smog der Ölraffinerien und Schornsteine undurchdringbar, an den Straßen standen Krebsverkäufer (bestimmt lecker hier!!!) und wir waren froh, als wir dieses Stück heil hinter uns gebracht hatten. Danach wurde die Gegend wieder schöner und der Küstenabschnitt „Costa Verde“, benannt nach seinem smaragdgrünen Wasser (wäre auch noch verständlich, wenn’s nach der Landschaft benannt wäre) empfing uns freundlich. Die Straße ging öfters direkt an der Küste entlang, wir bewunderten die Strände, Buchten, die zahlreichen vorgelagerten Inseln und die kleinen netten Touristenorte. Oftmals reichte der Urwald, hier „Mata Atlântica“ genannt, direkt bis ans Wasser und wir genossen die Fahrt durch die üppig grüne Landschaft. Nur als wir ein sonderbares Quietschen am Auto vernahmen, das unregelmäßig, aber stetig wieder kam, waren wir schon etwas beunruhigt und vermuteten schon, dass unser Pauli langsam doch die erste Alterschwächeerscheinungen hätte. Doch als wir irgendwann mal stehen blieben und das Geräusch immer noch da war, erkannten wir erleichtert, dass es sich um das Zirpen irgendwelcher kleiner tierischen Urwaldbewohner handelte. Na, das ließ sich ja leicht „reparieren“!

In São Sebastião sind wir direkt zur Fähre gefahren, die auch gleich ablegte. Doch bevor wir drauf fahren konnten, sollten wir erst im Touristenbüro der Insel Ilhabela telefonisch eine Genehmigung erbitten, da die Insel vor zu viel Verkehr geschützt werden sollte. Letztendlich ließ man uns auch ohne Erlaubnis auf die Fähre mit dem Hinweis wir sollten uns dann einfach blöd stellen, von wegen wir sind ja planlose Ausländer und so. Kein Problem, das können wir, also schnell die 4 € bezahlt (hin und zurück, für uns kostenlos!), ab auf die Fähre und los ging´s auf unsere nächste brasilianische Insel. Dort hat sich keiner für uns oder unser Auto interessiert und daraufhin wollten wir uns in Ruhe nach einer Unterkunft umschauen. Die Dame aus der Touri-Info meinte noch, es gäbe zahlreiche Campingplätze auf der Insel, wir sollten einfach nur an der Küste - die einzige Straße - entlang fahren, dann würden wir schon auf zahlreiche Campingplätze stoßen. Da wir richtig Hunger hatten, wollten wir in der Nähe des Ortes bleiben oder in den dichter besiedelten Norden fahren. Unsere Suche blieb jedoch erfolglos, der erste Campingplatz war geschlossen und die weiteren Kilometer kamen wir zwar an hübschen Häusern, Pousadas und Hotels vorbei, die Campings ließen jedoch auf sich warten. Einen konnten wir entdecken, aber der Besitzer wollte 15 € von uns! Die Lage war zwar recht schön, aber das erschien uns dann doch etwas übertrieben, um mal eben für ein paar dunkle Stunden sein Auto abzustellen und eine Dusche zu nehmen. Noch dazu gab es nichts essbares in der Nähe! Und da wir mittlerweile schon am nördlichen Ende der Insel angekommen waren, das ganze über kopfsteinartige Straßen, entnervt und hungrig, fuhren wir wieder ein paar Kilometer zurück und hielten an einer kleinen Lanchonette an. Dort gönnten wir uns erst mal zwei saftige Burger (zum Glück essen wir die immer wieder gerne, was anderes gab´s nämlich eh nicht) und ein Bier und so gestärkt ging’s weiter auf die Suche. Als wir einen kleinen von Palmen gesäumten Strandabschnitt erreichten, hielten wir dort an, um unser Nachtlager zu errichten und im Schutze der Nacht eine Dusche zu nehmen. Da hat es sich mal wieder ausgezahlt, dass wir einen unserer Benzinkanister auf Wasser umgestellt haben. Die kleine Bucht wirkte sehr schnuckelig und in der Dunkelheit erschienen auch die vor der Festlandküste liegenden Tanker irgendwie schön. Nach einer schwül-heißen und von Moskitos geplagten Nacht erkannten wir im Tageslicht jedoch, dass der Platz nicht mehr ganz so viel seiner Idylle behalten hatte. Wir wussten ja schon, dass die Strände entlang des Festlandes wegen Wasserverschmutzung nur mäßig zum Baden geeignet sind und man den schöneren östlichen Teil der Insel lediglich mit einem 4×4 Fahrzeug erreichen könnte, aber weiter unten im Süden sollte es doch noch ein paar schöne Fleckchen geben. Und die dauernd hinter uns vorbeirauschenden Fahrzeuge – war ja die einzige Straße - luden auch nicht gerade zum Verweilen ein und so machten wir uns schnell fertig und suchten nach einer Bleibe. Doch der erste Campingplatz, nicht besonders einladend, aber mit gleicher Preisvorstellung ließen wir links liegen, der zweite war wieder geschlossen und dann entdeckten wir einen inseleinwärts. Wir quälten uns über Waldwege und durch matschige Pfade und endlich kamen wir auf dem Campingplatz an. Die Besitzerin war richtig nett, der Preis verschwindend gering und in der Nähe gab es sogar einen Wasserfall mit Naturpool. Wow! Gerade waren wir dabei, unser Auto auf dem etwas glitschigen Gelände zu platzieren, nicht unter geringem Einsatz von „off“ (Mückenspray), kam der Besitzer angefahren. Ein Typ mit absolutem Psychoblick stellte sich vor uns und sagte erst mal 3 Minuten nichts. Dann klärte er uns in Zeitlupe über seine Preisvorstellung auf, die sich von Sekunde zu Sekunde erhöhte. Als er dann bei fast 20 € angekommen war, wechselten wir schnelle Blicke, packten unsere Sachen und verließen dieses Moskitopsychonest schnell wieder. Daraufhin hatten wir genug von dieser Insel, wir fuhren die hübsche Küstenstraße wieder zurück zur Fähre und verließen die „schöne Insel“ Ilhabela schnellstens wieder. Im Nachhinein waren wir dem Sonderling dankbar, denn wie wir mittlerweile immer wieder erfahren haben, sind die Moskitos dort mitunter die giftigsten im ganzen Lande, was wir ja in diesen wenigen Minuten dort (und in den vielen kratzenden Stunden danach) schon festgestellt hatten.

Also weiter die üppige Küstenstraße entlang, immer wieder passierten wir kleinere Orte und schöne Küstenabschnitte. Am frühen Nachmittag kamen wir in Paratí an, einem sehr hübschen kolonialen Städtchen, das von der UNESCO unter Denkmalschutz gestellt wurde. Schon die letzten Kilometer fuhren wir bei starkem Regen, ich konnte kaum noch die Straße vor mir sehen, obwohl der Scheibenwischer sein Bestes gab. Dort hielten wir erst mal vor der Touri-Info, doch die fünf Meter ins das Büro reichten aus, um uns völligst zu durchnässen. Dort bekamen wir einen Ortsplan und die desinteressierten Damen teilten mit knappen Worten den Weg zum Campingplatz mit. Hilfreicher war dafür ein junger Mann, der Touristen anwirbt. Er gab uns genaustens Auskunft, erklärte welcher Camping besser sei, bot uns nicht nur seinem Schirm sondern auch gleich diverse Unterkünfte unterschiedlicher Preiskategorien an und versprach uns einen Spezialpreis für eine der Schonertouren. Aber eins nach dem anderen, zuerst wollten wir uns häuslich einrichten, und wir wussten ja, wo wir ihn bei Bedarf finden würden.
Die Straßen waren völligst überschwemmt, ich folgte unsicher den anderen Fahrzeugen am Rand, da wir nicht ahnen konnten, wie tief die Straßen unter Wasser stand. Als es uns dann zu heikel wurde nahmen wir einen weitläufigen Umweg. Endlich kamen wir am Campingplatz an, wir stellten unser Auto unter die Bäume etwas entfernt von den Wohnwagen der überwiegend Dauercamper. Der Campingplatz des ´Camping Clube do Brasil` war nicht besonders groß, dafür schön begrünt und lag direkt gegenüber des Strandes. Und nur ein paar Meter über die Seufzerbrücke und schon steht man mitten im historischen Zentrum. Froh, diesen schönen, wenn auch verregneten Platz gefunden zu haben, gönnten wir uns zuerst mal ein Bier an einer der Strandkneipen. Dort war natürlich nicht viel los, aber Maria, die etwa 50-jährige Besitzerin wurde gleich auf uns aufmerksam. War ja sonst keiner da, außer ihren beiden Kindern, Jessica und Junior, die auch in der Kneipe arbeiten. Und noch ein anderer Gast, genannt Paulista, da er aus São Paolo kommt, der auch schon fast zur Familie gehört. Maria lehrte uns gleich mal ein paar Trinkspiele und später wollte sie unbedingt mit mir schwimmen gehen. Dazu konnte sie mich dann nach weiteren Bierchen überreden und so stiegen wir in voller Montur ins warme Meerwasser. Auch der spätere Stromausfall tat unserem Treiben keinen Abbruch, da wird halt einfach das Auto vorgefahren, die Türen aufgemacht und die Anlage auf voller Lautstärke angeschmissen. Wie es halt so in Brasilien üblich ist. Und als ich währenddessen in kompletter Dunkelheit in der Dusche stand, kam unsere Akku-Campingleuchte voll zum Einsatz. Nach Feierabend sind wir alle gemeinsam zu Maria nach Hause gefahren (zu sechst im Fiat!) und haben gegrillt. Da kamen dann auch nach und nach noch ein paar Freunde vorbei und später wurde wild getanzt. Wobei wir natürlich gegen die zappeligen und hüftschwingenden Brasilianer eher schlecht abschnitten. Aber was soll’s, lustig war’s, gegen 4.00 trudelten wir wieder auf dem Campingplatz ein und unser Kopf qualmte von den letzten 10 Stunden spanisch-portugiesischem Gequatsche. Aber mittlerweile macht es uns richtig Spaß, es hört sich für uns auch nicht mehr an wie tschechisch, nur manchmal erinnert es uns vom Klang an französisch.
Am nächsten Morgen haben wir erst mal mit dickem Kopf (und Mathias in leuchtender Warnweste, man weiß ja nie was kommt ;-)) unsere Plane aufgespannt, denn der Regen wollte einfach nicht aufhören. Es war zwar warm, aber wie immer wenn wir irgendwo waren war das Wetter extrem. Mal extrem kalt, oder extrem warm oder extrem windig und wie sollte es auch anders sein, hier regnete es gerade extrem viel! Am Nachmittag bekamen wir Besuch von einem anderen Deutschen Urlauber – Dieter. Er hatte in der Vergangenheit schon in Brasilien gearbeitet und das Klima, die hiesige Mentalität, die Freude am Gleitschirmfliegen und die Liebe haben ihn jetzt wieder zurückgebracht. Er war für ein paar Wochen in Brasilien und mit ihm haben wir einige Tage gemeinsam in Paratí verbracht und immer wieder lustige und interessante Gespräche geführt. Er war sehr begeistert von uns und unserer Tour und hatte auch selbst schon viele Länder bereist, so dass es mit ihm nie langweilig wurde. Wir diskutierten stundenlang und seine offene und lockere Art („trotz“ seiner 59 Jahre ;-)) war äußerst erfrischend. Nachdem wir ihn noch in die Welt des Internettelefonierens eingeführt hatten, was er wie fast alles per Fotoapparat dokumentierte, bekamen wir von ihm sogar ein Weihnachtsgeschenk. Von ihm sind wir auch auf den tollen Praia-Führer aufmerksam geworden, der einen Großteil unserer weiteren Reise bestimmen soll. Das ein oder andere Bierchen haben wir gemeinsam getrunken, nicht selten bei Maria in der Strandbar, und wenn Dieter dann schon früher ins Bett ging, ging es bei uns gelegentlich noch weiter. In der Kneipe wurde ab und zu nach Feierabend noch privat gegrillt, es wurde getanzt, Gitarre gespielt und gesungen. Aus Solidarität gab’s zwischendurch auch ein paar englische Lieder, die mangels Textsicherheit jedoch in einem „Kinderenglisch“ endeten.

Und wenn wir dann noch nicht genug hatten, gab es mit Junior, Paulista und ein paar Hunden noch einen nächtlichen Spaziergang über einen Hügel an den nächsten Strand, wo noch eine andere Strandbar geöffnet hatte.

Aber wir haben natürlich nicht nur gefeiert, sondern uns an auch an den Schönheiten in der Umgebung erfreut. Die Stadt selbst hat 33.000 Einwohner und im neueren Teil der Stadt gibt es einfach alles, was man so zum Leben braucht. (Außer den benötigten Campingführer, aber den gibt es irgendwie nirgends!) Oben auf dem Hügel gibt es Reste eines alten Forts, von dem aus man eine tolle Sicht auf die Bucht und die Dächer der Stadt hat. Ein Bummel durch die malerische Altstadt war eine Freude für Herz und Auge. Der autofreie Stadtkern besteht aus weißen Häuschen, alle mit bunten Fenster- und Türrumrahmungen und alten Dachschindeln. Viele Häuser wiesen mit blau verzierten Fliesen darauf hin, welche Geschäfte, urige Restaurants oder Pousadas sich innen befinden (es gibt 241 Pousadas in Paratí!) und obwohl alles relativ touristisch ist, besticht der Ort mit kolonialem Charme. In den Gassen standen meist Süßwarenverkäufer, die mit ihrem Handkarren Kuchen und andere Leckereien (meist zuckersüß!) verkauften. Leider konnte man das alles nicht immer voll genießen, da man beim Laufen stets auf seine Füße achten musste, denn die äußerst großen und vom Regen glitschigen Pflastersteine erschwerten das Gehen ungemein – vor allem, wenn man mit Flip-Flops unterwegs war. Immer wieder kamen wir an kleinen Kirchen vorbei, deren häufig mit verwittertem Putz, wobei sich die meist fotografierte am Hafen befindet. Dort liegen unzählige Boote und Schoner an, die auf Touristen warten um sie in die unbestimmten Weiten der Inselwelt zu entführen.
Auch wir haben uns eine solche Schonertour gegönnt, als sich die unliebsamen Regenwolken mal für einen Tag verzogen hatten. Dafür wurden wir schon morgens mit strahlend blauem Himmel verwöhnt, und wir machten uns gut gelaunt auf zur Anlegestelle. Dort standen schon reihenweise die Schiffe bereit und wir waren schon sehr gespannt auf die unzähligen vorgelagerten Inseln, für die die Costa Verde so bekannt ist. Das Schiff hatte Platz für etwa 50 Leute, rundherum waren Sitzmöglichkeiten und in der Mitte befand sich unter einer großen Plane eine schattige Liegewiese. Begleitet wurden wir von einem Gitarristen, der mit seinen schnulzigen Liebesliedern ein perfekte musikalische Untermalung bot. Von ihm haben wir natürlich auch gleich die CD gekauft. Also ging es los, die üppig grüne Küste entlang vorbei an Privatinseln von Scheichs mit Hubschrauberlandeplatz, oder kleinen Fischerinseln und auf dem Wasser wechselten sich Fischer-, Motor- und Segelboote ab. Unterwegs hielten wir ein paar mal an verschiedenen Stränden, dort konnten wir etwas Essen, Spazieren gehen, Seesterne ausgraben oder einfach nur schwimmen und das Leben genießen. Auf dem Schiff gab es auch etwas Verpflegung, mal Obst oder wir ließen uns frisch gepresste Säfte bringen. Es war ein sehr entspannter und kurzweiliger Tag, zu dem nicht zuletzt unsere Campingnachbarn aus Rio beitrugen. Nach etwa 5 Stunden kehrten wir zurück, noch mal ein letztes Foto von der meistfotografierten Kirche Paratís, die vom Wasser aus ein besonders schönes Postkartenotiv liefert und erschöpft vom vielen Nichtstun und der sengenden Sonne kehrten wir zurück. Am Ende hat Mathias von unserem Nachbarn eine Baseballkappe mit dem Embleme der Sambaschule geschenkt bekommen, für die er auf dem Karneval in Rio trommelt. - Überhaupt sind hier die Leute und vor allem die Männer sehr angetan von Mathias. Von Junior hatte er auch ein Armbändchen geschenkt bekommen, was er später jedoch beim Schwimmen gleich wieder verloren hatte. Klar, sie können sich seinen Namen besser merken, als meinen, so wird er immer zuerst angesprochen, aber auch sonst sind alle immer sehr begeistert von ihm. Liegt wohl generell an den bekannten (und beliebten?) Deutschen. An erster Stelle wird meist Hitler genannt! Im Gegenzug zu Argentinien jedoch wird er seltener verehrt und es kommen konkrete Fragen, liegt wohl an der Schulbildung. Danach kommt meistens Schumacher, gefolgt vom Papst und ein paar Fußballern. Wenn es um Musik geht, kennt man meistens die Scorpions und – Überraschung – Nina Hagen! Dann war es das auch schon. – Oder es liegt einfach an Mathias positivem Erscheinungsbild!?!

Gleich am nächsten Tag beglückte uns das Wetter schon wieder und wir unternahmen einen Ausflug zum nahegelegenen Wasserfall „Pedra Branca“. Wir fuhren ein wenig landeinwärts und mussten mehrmals nach dem Weg fragen. Schließlich landeten wir vor einer Baustelle, der Boden war total aufgewühlt und die Bagger standen davor. Siesta – ist ja klar! Aber die Bauarbeiter schliefen in ihren Monstern und meinten da müssten wir vorbei, dann immer geradeaus, die Straße wäre dann auch wieder besser. Also weiter, verfahren, wieder ein Stück zurück, anderen Dschungelpfad genommen, die Schwüle lässt uns die Sauce nur so runterlaufen, wir hören Wasser, ist aber noch nicht der Wasserfall, die Strecke erinnert uns an so manche Wege, die wir unserem Auto eigentlich nicht mehr zumuten wollten, doch endlich erreichten wir einen Parkplatz – wir waren da! Dort entrichteten wir bei einem süßen runzeligen Opi unseren Eintritt von 0,30 € und marschierten die letzten Meter vorbei an Farnen und meterhohen Bambussen. Schon auf dem Weg dorthin waren wir mehr als überrascht, überall hingen Mülleimer, und am Wasserfall gab es ein Toilettenhäuschen und sogar eine Bar mit eisgekühltem Bier! Aber zuerst mal wollten wir uns äußerlich abkühlen und das erfrischende Nass genießen. Überall vor uns plätscherte das Wasser über große runde Felsen, inmitten einer tropischen Vegetation mit Palmen, Lianen, Bananenstauden und saftig grünen Bäumen, vor uns erstreckte sich der Naturpool, außer uns verirrten sich nur vereinzelt Leute hierhin und zeitweise konnten wir den Badespaß alleine genießen. Einfach toll, wir kletterten über die Felsen und durch die Schnellen nach oben, schwammen ein bisschen und genossen die sagenhafte Natur, die tollen Ausblicke und die Abkühlung an diesem heißen Tag. Auf dem Rückweg hielten wir noch an einer kleinen Bar mitten im Nirgendwo. Die Männer spielten Billard - so ein Tisch fehlt hier in keiner Bar - die Kinder rannten in bunten Kleidern und Badeschlappen (wie wirklich jeder!) rum, ein Auto kam vorbei, verkaufte Stangen Zigaretten an den Wirt, vor der Bar stand malerisch ein rostiger VW Käfer und wir genossen diesen traumhaften Abschluss des Tages. Das sind Momente, die wir gerne mit unsren Familien oder Freunden aus der Heimat teilen würden, die Einfachheit und Natürlichkeit dieses sagenhaften Landes. Aus dieser Idylle holte uns kurz mit Schrecken einer der Baggerfahrer, der auf dem schmalen Weg vorbeifuhr und so sehr mit Grüßen beschäftigt war, dass er beinahe unseren Pauli übersehen hätte! Aber zum Glück nur beinahe!

Dafür wurden wir mehr als entschädigt, als wir bezahlen wollten, denn auf unserer Rechnung standen 3 Bier, 1 Päckchen Zigaretten, 2 Päckchen Bonbons und das ganze gab’s für gerade mal 3,50 €. Da haben wir nicht schlecht gestaunt, obwohl wir ja schon an normale (nicht touristische) brasilianische Preise gewöhnt sind.

Aber das war’s es dann auch schon wieder mit dem schönen Wetter, weiter ging’s mit Regen. Mal nur Dauernieseln, mal die bekannten Bindfäden, aber täglich kam irgendwas vom Himmel. Blöderweise ist unser Auto im Fußraum etwas undicht und bei stärkerem Regen stand der Teppich unter Wasser. So wie eben in den letzten Tagen und wir versuchten immer wieder mit unserem Eiskratzer das Wasser so gut wie möglich aus dem durchtränkten Teppich zu schaben. Da dies jedoch aussichtslos schien, machten wir uns die Arbeit und nahmen die komplette Bodenverkleidung heraus. Der Teppich stank bereits widerlich nach Moder uns so schnitten wir kurzerhand die muffeligen Fußteile heraus und kauften uns neue Teppiche für den Boden. Gegen die undichten Stellen müssen wir uns noch etwas überlegen.
Dem feuchten Wetter waren unsere Handtücher oder Kleider auf der Wäscheleine natürlich auch ständig ausgesetzt. Und wie soll etwas trocknen, dass ständig wieder nass wird? Aber Not macht ja bekanntlich erfinderisch und jetzt haben wir bei aufgeklapptem Kofferraumdeckel immerhin 5 kurze Leinen zur Verfügung. Nicht, dass die Sachen besser getrocknet wären, aber sie hingen wenigstens nicht mehr dauernd im Regen.
Zumindest war es nicht kalt, wir hatten angenehme um die 25° und die moderaten nächtlichen Temperaturen ließen uns gut schlafen. Nur die Mücken nicht! Ständig schwirrten sie uns nachts um die Nasen und wir verbrachten so einige Stunden auf der Jagd. Also musste sich etwas ändern und wir kauften uns im Supermarkt so ein Gerät mit einer Flüssigkeit, das man in die Steckdose steckt. Und siehe da, wir hatten endlich wieder eine ruhige Nacht. Die Moskitos, die trotz Vorsicht bei uns im Auto gelandet sind, waren wie paralysiert. Sie hingen alle recht verzweifelt innen an unseren Moskitonetzen und wir konnten sie einfach so zerdrücken. So macht Mückenjagd Spaß!
Auf dem Campingplatz haben wir uns sehr wohl gefühlt, wenn sich auch ein neues Problem stellte: in einigen Teilen Brasiliens gibt es nur 110 Volt. Meistens werden zwar die Campingplätze und Pousadas auf 220 Volt „aufgepeppt“, aber wir hatten in diesen Gegenden zum Beispiel Probleme, für unsere 220 Volt-Lampe neue Glühbirnen zu bekommen. In Paratí, wo nichts gewandelt wurde, hieß das außerdem, dass unser Fön nur noch auf geringer Kraft lief (hätten wir zum Trocknen der Sachen gebrauchen können) und der vage Schein unserer Lampe war nicht mehr wirklich zu gebrauchen. Ansonsten konnten wir alles laden, hat halt manchmal etwas länger gedauert. Da Weihnachten vor der Türe stand, haben wir unser Auto mit (blinkenden!!) Lichterketten bestückt. Diese haben große Begeisterung bei den anderen Campern hervorgerufen und da wurde schon mal das ein oder andere Foto vom leuchtenden und blinkenden Pauli gemacht. Leider haben wir beim Kauf nicht beachtet, dass die Lämpchen auch auf 110 Volt ausgerichtet sind, und als wir sie das nächste Mal wieder bei 220 Volt einsteckten, knallten uns sämtliche Birnen durch!
Und zuletzt war da noch unser CD-Player, der uns nur noch mit Radio versorgte, für die CDs hatte er einfach keinen Saft mehr. (Den könnte man sogar umstellen, haben wir aber erst Wochen später entdeckt!) Dafür gab es einen super Radiosender im Ort, den man rund um die Uhr laufen lassen konnte. Doch immer wieder waren wir überrascht, wenn uns plötzlich das Big Brother-Lied auf portugiesisch entgegengeschmettert wurde, oder Interpreten wie Roxette oder Brian Adams mit Sambarhythmen aufgepeppt wurden!?

Die Leute vom CCB waren alle super nett und hilfsbereit. Noch dazu akzeptieren sie hier unseren ADAC Ausweis und somit müssen wir nur den Betrag für Mitglieder bezahlen. Ist dank des FIA-Zeichens auf der Rückseite offiziell, das wussten wir jedoch anfangs nicht. Und das macht ganz schön was aus, Campen ist relativ teuer in Brasilien und 10 €/Nacht/Person sind keine Seltenheit. Auf den CCB Plätzen bezahlen wir hingegen nur 2-3 €, selbst in der Hochsaison.
Die Campingplatzbesucher sind manchmal schon kurios! Da gibt es welche, natürlich die Dauercamper, die bereits Zäune und Blumenbeete um ihr Terrain anlegen. Dann kommen welche, die gar nicht da campen, offensichtlich gut betucht sind und uns nach 3 Minuten Smalltalk gleich einen kostenlosen Aufenthalt im ihrem Ferienhaus in den Bergen anbieten. Andere wiederum reisen mit ihren großen Wohnmobilen, nein – mit Omnibussen, und da man ja nicht jeden Meter mit so einem schluckenden Monster fährt, haben alle entweder ein Moped hintendrauf oder einen Kleinwagen im Schlepptau! Und manchmal einfach beides! Aber die sonderbarsten „Bewohner“ sind etwa 5 cm große Insekten, die zur Dämmerung unvorstellbar laute Töne von sich geben, dass wir beim ersten Mal tatsächlich dachten, in der Nähe würde eine Sirene losgehen! Wirklich unglaublich!

Auf dem Campingplatz gab es zu unserer Freude auch das von uns so begehrte ´buffet a kilo` (0,50 € pro 100 gr), das wir uns gerne schmecken ließen. Aber abends zog es uns dann schon raus zum Essen und häufig waren wir dann am Spießchengrill anzutreffen. Mmmmhhh. Oder aber wir haben uns in eine der zahlreichen Kneipen gesetzt, Caipirinha in verschiedenen Geschmacksrichtungen probiert und tollen Bands zugehört. Aber der schönste Abend behält einen negativen Beigeschmack, wenn man ständig alles nachrechnen und kontrollieren muss, da die Rechnungen stets kleinere oder größere Fehler enthält. Das nervt mit der Zeit, zumal sich ja niemals jemand zu unseren Gunsten verrechnet, und wenn bei 3 + 3,50 dann 7,50 rauskommt, wünscht man sich doch, dass sie einen Taschenrechner zur Hand nehmen.

Nach einer Woche haben wir uns nach ausführlicher Verabschiedung wieder auf die Socken gemacht. Wir fuhren in das 100 km entfernte Angra dos Reis, um dort unser Visum zu verlängern. Dort angekommen erklärte man uns in der Touri-Info, dass das hier gar nicht möglich sei. Aber davon ließen wir uns nicht beirren, schließlich kann man das in jeder Policia Federal, warum also nicht hier? Und siehe da, es geht doch! Der schroffe Beamte der Policia Federal legte mir einen Zettel hin, auf dem alle für ein Verlängerung notwendigen Dinge aufgelistet waren. Um die Formalitäten fürs Auto jedoch zu verlängern, sollten wir zu einem anderen Amt, dieses hätte aber bereits geschlossen und am nächsten Tag wäre Feiertag und danach Wochenende. Toll, da standen wir nun, Angra dos Reis lud uns nicht gerade zum Verweilen ein, Campingplatz gab es keinen, weder in der Stadt, noch in der Nähe. Wir hätten zwar weiter fahren können, ein paar Tage hatten wir ja noch Zeit mit der Verlängerung, aber die nächste Möglichkeit wäre in Rio gewesen. Und die Suche nach diversen Ämtern wollten wir uns in so einer Millionenstadt nicht antun. Kurzentschlossen sind wir wieder zurück nach Paratí gefahren, schließlich hatten wir uns dort sehr wohl und ein bisschen „wie zu Hause“ gefühlt. Weit waren wir ja nicht gekommen, aber immerhin hatten wir unterwegs eine Infohalle eines Atomkraftwerks mit meerwassergekühlten Brennstäben besucht, und wussten jetzt genau über die Visumsverlängerung bescheid. Wir nutzten die nächsten Tage um alles vorzubereiten, machten alle notwendigen Kopien, bezahlten bei der Bank unseren Beitrag und freuten uns über weitere Tage mit Dieter, Maria und Junior – wenn auch wieder bei Regen!


Nach weiteren vier Tagen im schönen Paratí haben wir Montag gleich früh morgens den zweiten Versuch zur Visaverlängerung gestartet. Was uns erheblich schwer gefallen ist, nicht unbedingt, weil wir um 7.00 aufgestanden sind, sondern weil wir wieder erst um 3.00 ins Bett sind. War halt noch mal ein geselliger letzter Abend in lustiger Runde, da will man halt auch nicht gehen.

In Angra dos Reis mussten wir zwar eine Weile in der Policia Federal auf den zuständigen Beamten warten, dafür ging dann alles recht schnell. Wir bekamen zwar entgegen unseren Informationen nur ein neues Visum ab selbigem Tag ausgestellt (nicht erst nach Ablauf der ersten 3 Monate), und „verloren“ somit eine Woche, aber mit dem strikten Beamten wollten wir nicht diskutieren. Hauptsache wir hatten unser Visum und viel wichtiger waren jetzt die Formalitäten fürs Auto, denn wenn wir das nicht rechtzeitig wieder ausführen oder keine Verlängerung bekämen, würde das richtig teuer für uns werden. Oder wir hätten sofort ausreisen müssen! Dafür ging’s weiter ins Rathaus, dort wollte man uns zwar gleich wieder woanders hinschicken, aber zum Glück wussten WIR wenigstens, dass sie dort für uns zuständig waren. So schickte man uns zum entsprechenden Büro, der freundliche Beamte schüttelte mehrmals verwundert den Kopf und meinte so etwas hätte er ja noch nie erlebt. „Strange!“ Immerhin konnte er ein paar Brocken englisch! Wir mussten ihm wiederholt erklären, dass wir das Auto aus Deutschland mitgebracht haben, und was wir genau von ihm wollten. Daraufhin zog er sich erst mal zur Beratung mit seinen Kollegen zurück. Als sie fertig waren, teilte er uns zunächst mit, dass erst mal Mittagspause sei, in der nächsten Stunde nichts mehr passieren wird und wir auch zum Essen gehen und später wiederkommen sollten. Dann würde unser Fall in Angriff genommen. Also haben wir seinen Hinweis befolgt und haben uns danach noch ein wenig an der Stadt mit seinem geschäftigen Gewusel in allen Gassen erfreut. Gleich nach der Siesta sind wir wieder zur Receita Federal, aber da hat sich natürlich noch nicht viel getan. Also hieß es warten, wir sind zwischenzeitlich etwas eingenickt – die Nacht war ja kurz – und endlich kam der Beamte wieder aus seinem Zimmer. Doch er wollte erst mal das Auto sehen. So sind wir gemeinsam dort hin gelaufen, irgendwie war er dann auch nicht schlauer aber zufriedengestellt und betitelte uns als „very brave“. Nochmal etwas warten und nach insgesamt etwa 1 ½ Stunden hatten wir viele Kopien und die notwendigen Papiere. Hoffentlich, denn wie gesagt machte das der nette Mann ja auch zum ersten Mal. Aber er war jedenfalls sehr bemüht und gab uns noch ein paar Hinweise für die Ausreise, damit wir nicht später in Nöte gerieten.
Erleichtert haben wir uns erst mal auf der Halbinsel Angras umgeschaut, bzw. wir haben eine Runde gedreht. Wenn man mal etwas von Meer und Stränden sehen kann, war es ausgesprochen schön dort. Doch leider versperrten uns wie so oft in Brasilien die hohen Mauern der Hotels oder Condomínios (bewachte Wohnanlagen und davon gibt es reichlich) die Sicht. Man darf hier zwar per Gesetz niemandem den Zugang zum Meer verwehren, aber man muss halt erst mal einen Zugang finden, und man hält sich auch nicht immer 100 %ig daran.
Geschafft haben wir dann erst mal ein kleines Nickerchen eingelegt, bevor wir weiter nach Recreio dos Bandeirantes, einem Vorort Rios gefahren sind. Unterwegs mussten wir uns jedoch erst mal den Weg durch den Feierabendverkehr von Itaguai, einer nicht besonders einladenden Stadt, bahnen und die einsetzende Dämmerung verbesserte unser mulmiges Gefühl keinesfalls. Das war jetzt also eine klassische brasilianische Stadt. Wir wollten nicht unbedingt anhalten, was bei Stop-and-go eher schwierig ist, und uns auf keinen Fall verfahren. Glücklicherweise war die Ausschilderung sehr gut und wir kamen bei Einbruch der Dunkelheit in Recreio dos Bandeirantes an. Den Camping Club fanden wir auf Anhieb und er war groß, sehr schön und gleich gegenüber vom Strand gelegen. Am nächsten Morgen wollten wir in den Ort laufen, der Supermarkt sollte laut Auskunft nicht sehr weit sein. Doch irgendwie konnten wir weder einen Supermarkt noch irgendwelche Geschäfte entdecken. Nur eines dieser besagten Condomínios, also fragten wir an der Sicherheitskontrolle nach, dort erklärte man uns, alles sei etwas weiter weg und wir sollten auf keinen Fall dort hin laufen. Es wäre hier sehr gefährlich, während er sich zur Verdeutlichung mit dem Finger langsam den Hals entlang strich. Schluck! Das haben wir kapiert, also nichts wie zurück zum Campingplatz und lieber mit dem Auto fahren. Der kleine Ort war nicht besonders weit entfernt und bestand eigentlich nur aus einer Straße. Dort fanden wir alles, was wir brauchten, Supermarkt, Obstladen (Obst und Gemüse schmeckt hier wieder nach etwas) und Internet. Die Leute wurden schon merklich dunkler (die Weißen wohnen ja überwiegend in den Wohnanlagen), aber waren sehr freundlich, aber ein ungutes Gefühl blieb. Wir wollten ja nicht gleich das Brasilien kennen lernen, von dem man so viel negatives in Bezug auf Überfälle oder ähnliches hört.
Den Tag über haben wir es uns dann noch gut gehen lassen und unsere Plane aufgebaut, die wir endlich gegen die Sonne und nicht gegen Regen brauchten. Wir beobachteten gespannt das Treiben der kleinen Äffchen, die hier in den Baumkronen des Platzes wohnen. Nach einer Runde Badminton wollten wir noch das Meer genießen. Der Strand war sehr steil abfallend, eingerahmt von den typischen Hügeln, die Wellen und Strömungen waren heftig und ein leichter Dunst lag über dem Strand. Doch nachdem wir nur einen Zeh ins Wasser gestreckt hatten, haben wir es uns gleich wieder anders überlegt, nennt uns Memmen, aber das war uns zu kalt!
Als wir gegen Abend an der Administracão nach dem Bus nach Rio fragen wollten, schaute man uns nur entgeistert an. Wie sich dann herausstellte, dachte die süße Angestellte, wir wollten jetzt noch fahren. Sie war dann beruhigt zu erfahren, dass wir das erst am nächsten Tag vorhatten. Zu fünft erklärte und malte man uns den Weg zur Bushaltestelle auf, gab uns die Busnummern und wies uns ununterbrochen darauf hin, bloß nichts wertvolles oder viel Geld mitzunehmen. Erst als wir das versprochen hatten und wir mit Aufklebern des CCB und der Telefonnummer versorgt waren, ließ man uns wieder gehen. Ist ja schon rührend, aber gleichzeitig waren wir verunsichert, ist das alles Panikmache oder wirklich so schlimm? Na, am nächsten Tag sollten wir es ja herausfinden.
Schon um 7.30 machten wir uns auf den Weg, mit wenig Geld, und unserer „Ersatzkamera“, die ich im Notfall leichteren Herzens hätte weggeben können. Schon zu dieser frühen Stunde war es heiß und schwül und das sollte sich den Tag über auch nicht ändern. Wir bestiegen den Bus und fuhren in eine der bekanntesten Metropolen der Welt. Die Fahrt nach Rio de Janeiro dauerte recht lange, wir passierten einige wohlhabende Vororte in denen sich Hochhäuser und große Shoppingcenter aneinander reihten, wir fuhren durch Tunnels, durchquerten kleinere und offensichtlich ärmere Viertel, die aus einfachen Marktbuden und Bretterverschlägen bestanden. Und im Hintergrund immer wieder die für Brasilien bekannten malerischen Hügel. Bevor wir im Centro ankamen passierten wir den für uns so vertrauten Hafen, den wir noch gut von unserem ersten Besuch vor einem Jahr kannten. Damals hatten wir eine kleine Tour im Norden der Stadt und mit der Bonde unternommen, diesmal wollten wir zuerst den Zuckerhut erkunden. Die 35 R$ (13 €) waren gut investiert, denn schon auf dem ersten Hügel hatten wir eine atemberaubende Sicht über diese unglaubliche Stadt. Gerade als wir ankamen startete ein Helikopter für einen Rundflug und mir blieb vor Begeisterung fast das Herz stehen, ich fühlte mich für einen kurzen Moment, als würde ich selbst gerade abheben. Danach ging es weiter hoch auf den berühmten „Pão de Azucar“. Doch als wir in die Gondel stiegen zogen große Wolken auf und verhüllten den Berg so sehr, dass wir nur noch in eine weiße Wand fuhren. Und oben angekommen hatten wir einfach gar keine Sicht mehr auf irgendwas, nur noch eine Wolkensuppe unter uns. Aber das störte uns nicht weiter, schließlich hatten wir ja Zeit, im Gegensatz zu den Touristengruppen, die entweder in der halben Stunde das zu sehen bekamen, was sie erhofften, oder unverrichteter Dinge wieder nach unten fuhren. Und so nach und nach zogen die Wolken wieder auf, das Warten hatte sich gelohnt, wir erhielten immer wieder traumhafte Ausblicke auf diese phantastische, und einzigartig in die Hügel gebaute Stadt. Einfach überwältigend, diese Stadt der Superlative. Aus knapp 400 m Höhe hat man eine sagenhafte Sicht über Rios Buchten, Hochhäuser und Favelas. Ab und zu konnte man einen Blick auf die 30 Meter hohe Statue des Christo Redentor gegenüber erhaschen, manchmal auf die Copacabana und die umliegenden Inseln. Danach ging es für uns weiter mit dem Bus an den berühmten Strand Copacabana. Ist ja ganz schön dort, aber warum da so ein Hype drum gemacht wird, verstehen wir nicht so ganz, ist halt ein breiter Stadtstrand mit Palmen, der an einer Straße liegt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite reihen sich Hotels oder Restaurants, an der Promenade Baustellen, Strandbars die Coco gelado verkaufen (mein Lieblingsgetränk) und einige Künstler die sagenhafte Strandburgen kreieren. Und die Strandboys und –girls waren auch nicht anders als an anderen Stränden. Wir liefen dann etwas durch die Stadt, aßen unterwegs in einem der kleinen Restaurants etwas, bis wir an den nächsten Strand kamen. Dort gefiel es uns schon etwas besser, Surfer tummelten sich im Wasser und wir genossen das Treiben am Strand. Nur hatten wir bereits reichlich Sonne abbekommen und einige Körperteile wurden schon krebsrot. Und da wir bereits einige Stunden unterwegs waren, beschlossen wir unseren Riotrip zu beenden. Wir fuhren wieder lange nach Hause, die Fahrt war noch mal sehr schön und interessant und gewährte uns noch einen paar Einblicke in Rios Außenbezirke. Wir sind dann etwas früher ausgestiegen, da wir noch mal kurz in den Supermarkt wollten und haben in dem Ort, wo wir das letzte Mal so verunsichert waren ganz in Ruhe ein Bier getrunken und uns gar nicht mehr unwohl gefühlt. Als wir total verschwitzt am Zeltplatz ankamen, empfing man uns erleichtert. Aber mal ganz ehrlich, wir haben nicht verstanden, warum die so ein Gedöns machen. Wir haben uns keine Sekunde unsicher gefühlt, nichts negatives erlebt (außer wieder das übliche Verrechnen) und so lange man nicht gerade bei Nacht unterwegs ist, oder an einsameren Stellen, braucht man sicht wirklich nicht verrückt zu machen. Wir hatten jedenfalls einen sehr tollen Tag in Rio und waren überwältigt und begeistert von dieser einzigartigen Stadt und natürlich auch erleichtert, dass wir den Tag gut hinter uns gebracht hatten. Wir denken, dass es auf verschiedene Faktoren ankommt, ob etwas passiert: Wie man auftritt und sich verhält und ob man Glück oder Pech hat, und das kann man immer und überall haben. Man sollte natürlich nicht zu leichtsinnig sein und gewisse Vorsicht walten lassen, aber man sollte sich auch nicht verrückt machen lassen. Aber das sind halt Erfahrungswerte, die muß man erst sammeln.

—— Ich muss gestehen, es ist nicht immer ganz so einfach. Rio kann schon gefährlich sein, wie wir Wochen später in den Nachrichten gesehen haben, haben 20 maskierte und bewaffnete Männer am hellichten Tag 8 Autos angehalten, die Leute aus den Wagen gezogen und sind mit den Autos abgerauscht. Aber das gehört dann wirklich zum Pech und ist hoffentlich die traurige Ausnahme. ——-

Am nächsten Tag ging unsere Fahrt weiter und wir fuhren nochmals mit dem Auto mitten durch diese aufregende Stadt, aber achteten gleichzeitig darauf, die Fenster an den Ampeln geschlossen zu halten (Schwitz!). Wir erfüllten uns noch den Traum ein Foto mit Pauli vor dem Zuckerhut zu machen und dann ging es über die Monsterbrücke nach Niteroi und weiter die Küste entlang. Wir passierten hunderte Straßenstände, die neben Tontöpfen, Obst und Blumen auch Gartenzwerge (!) verkauften. Immer wieder an den Straßenrändern standen LKWs die voll mit Ananas beladen waren. Da kann man einfach nicht vorbei fahren. Die Orte waren mal schöner, mal einfach nur hässlich und dreckig, und einen, in dem es ausschließlich Bars und Baumärkte gab. Und natürlich in jedem Ort mehrere dieser monsterhohen Lomos, diese Hügel, die zur Geschwindigkeitsreduzierung mitten auf die Straßen gebaut werden. Normalerweise weisen Schilder und schwarz-gelbe Streifen auf dem Belag darauf hin, aber manchmal werden die auch vergessen oder sind schon total abgenutzt. Einmal haben wir beiden diesen Berg vor uns nicht gesehen, Mathias legte noch im allerletzten Moment eine Vollbremsung ein, die Reifen quietschten, aber es war zu spät – wir hoben ab! Alles im Auto war für einen Moment lang in der Luft, bis unser armer L300 wieder krachend auf dem Boden aufkam! Aber die Achse hielt und auch sonst haben wir zum Glück keinen Schaden genommen.

Unser nächstes Ziel hieß Arrial de Cabo, eine touristisch erschlossene Halbinsel, voll von kleinen Orten mit bunten Häuschen. Dort sollte es nur wenige Meter vom einem Surferstrand einen CCB geben. Den gab es auch, aber der Platz war klein, ein paar vertrocknete Tannen sollten Schatten spenden, nichts, wo ich hätte länger bleiben wollen, also sind wir in den nächsten Ort Cabo Frio gefahren. Dort war der Platz wesentlich schöner, direkt an einer Lagune, aber halt nicht direkt am Strand. Aber man kann ja nicht alles haben. Dort haben wir erst mal einen Waschtag eingelegt, was sogar richtig Spaß gemacht hat. An allen Campingplätzen gibt es dafür Waschbecken mit Rillen zum Schrubben, und warmes Wasser hat man bei den Temperaturen auch fast. Das Wetter war perfekt und nach ein paar sonnigen und windigen Stunden war schon alles trocken. Später haben wir noch einen Strandausflug gemacht, waren schwimmen und am Strand spazieren und haben uns Cocoswasser schmecken lassen. Am Abend sind wir noch auf ein Bier in eine nahegelege kleine Lanchonette gegangen. Wir nahmen nicht viel Geld mit, damit man uns auch im Ernstfall nichts klauen konnte. Eigentlich erstaunlich, wir hatten gerade mal 3,50 € dabei, tranken 3 Bier und brachten noch fast die Hälfte des Geldes wieder mit nach Hause! Und unsicher fühlten wir uns nur etwas auf dem Hinweg, aber nachdem alle sehr nett zu uns waren, bis spät am Abend die Kinder auf der Straße herumliefen und die Fenster entgegen unseren Erwartungen auch nur äußerst selten vergittert sind, legte sich dieses Gefühl schnell wieder. Und das obwohl wir mit Abstand die hellsten im ganzen Laden und Umgebung waren. Je weiter wir in den Norden kommen, vermischen sich die Hautfarben immer mehr, die Leute werden immer dunkler. Aber wir merken auch, dass die wohlhabenden Brasilianer häufig in diesen Condomínios wohnen, abgeschottet von der „Außenwelt“ und unter sich. Aber in vielen Gegenden ist es trotzdem sicher und die Brasilianer scheinen es dort auch sehr zu genießen. Vor allem auf Campingplätzen kann man das beobachten, dort werden Fernseher oder Gaskocher einfach im offenen Vorzelt stehen gelassen. Vielleicht aber ist unser Bild auch teilweise falsch, es ist gar nicht so besonders gefährlich, überwiegend ist das in großen Städten der Fall, etwas außerhalb ist es nicht mehr so schlimm. Aber man kann nicht leugnen, dass es auch viel Armut in Brasilien gibt und die ist einfach nicht in den Griff zu bekommen. Mit dieser Machtlosigkeit umzugehen ist für mich nicht immer einfach. Was wir an Tagesbudget zur Verfügung haben, muß hier manchen Familien in der Woche ausreichen. Es ist eine schwierige Situation, wir genießen die Schönheit des Landes und die übermäßige Freundlichkeit, Offenheit und Lebensfreude der Leute, aber immer mit der Gewissheit, wieder weiterzureisen, wenn man will. Diese Möglichkeiten haben hier nicht viele und wenn man in so einem Land leben möchte, wäre dieser Eindruck vielleicht auch anders. Aber dafür sind wir ja auch unterwegs, um verschiedene Länder und die dortigen Umstände kennen zu lernen, und dazu gehören halt nicht immer nur die positiven Seiten.

Am nächsten Tag haben wir den auf einer schönen und exklusiven Halbinsel gelegenen Ort Búzios erreicht. Dort machte Brigitte Bardot in den 60er Jahren ihren Urlaub und seitdem ist er Anziehungspunkt für die Reichen und Schönen. Na ja, auf jeden Fall für die Reichen. Die Strände waren sehr schön und sauber, die Bebauung in mediterranem Stil und überwiegend Privathäuser und kleine Pousadas. Die Orte waren gepflegt und wir fühlten uns teilweise wie an der Côte d´Azur. An manchen Stellen hatte man tolle Ausblicke über die Küste und die davor liegenden Schiffe. Genau an diesem Tag fand ein Oldtimertreffen statt und ich konnte mich gar nicht satt sehen an all den gepflegten seltenen Wagen. Als wir an den schönen sichelförmigen Strand gelaufen sind, vergaßen wir gleich mal, unser Auto abzuschließen! Aber gefehlt hat nichts, unser Auto fällt wohl nicht gerade in die Kategorie, die man klauen oder aufbrachen müsste. Viel mehr werden wir oft mit Bussen verwechselt. Die Mitsubishi oder ähnlichen Modelle, die wir hier sehen, werden für gewöhnlich als Schul- oder Linienbusse eingesetzt. Nicht selten kommt es vor, dass uns andere Busse zum Gruß Lichthupe geben oder uns Leute am Straßenrand die Hand ausstrecken um mitgenommen zu werden. Einmal wurden wir sogar gefragt, ob wir in Deutschland auch mit unserem Bus arbeiten! Dann erklär dem mal, dass wir den ausschließlich zum Reisen haben, das verstehen die hier gar nicht. Dafür ist er schön unauffällig und wir werden nicht sofort aus europäische „Weihnachtsgänse“ angesehen. Abgesehen davon fahren diese Busse hier logischerweise alle mit Diesel, die gibt es gar nicht als Benziner. Jedes Mal wenn wir tanken, kommt dann auch die Frage „Diesel?“ und daraufhin ungläubige Blicke und wenn der Eine schon tankt, kommt der Nächste angerannt und fragt noch mal nach. Leider ist Benzin hier recht teuer, knapp 1 € pro Liter ist ja schon für uns viel, für Brasilianer eigentlich unerschwinglich. Und die Preise variieren sehr stark, je weiter man von den Raffinerien entfernt ist, desto teurer wird’s. Hat wohl alles mit den Transportkosten zu tun. Dadurch steigen natürlich viele Fahrer auf Ethanol, also Alkohol um (was zu 25 % auch im normalen Benzin ist), der etwa nur die Hälfte kostet. Viele, vor allem neuere Wagen fahren mit Benzin und Alkohol im gleichen Tank, bekommt man das eine mal nicht, tankt man einfach das andere. Praktisch!

Doch leider gab es in Búzios den im Reiseführer erwähnten Campingplatz nicht mehr und somit war diese Gegend für uns erledigt. Also fuhren wir weiter die Küste entlang, doch bei hiesigen Straßen- und Verkehrsverhältnissen kommt man nicht immer schnell voran. Zum einen fahren wir ja fast ausschließlich Landstraße und die überholgeilen Brasilianer kennen keine Grenzen. Egal ob Gegenverkehr kommt oder eine unübersichtliche Kurve, ununterbrochen brausen die Anderen in meist waghalsigen Manövern vorbei. Irgendeiner wird schon ausweichen. Aber die immer wieder ohne Vorankündigung auftauchenden tiefen und breiten Löcher, bei denen man plötzlich auf 20 km/h abbremsen muss, zwingen uns zu moderater Fahrweise. Schließlich wollen wir noch ein paar Kilometer mehr mit unserem Bußchen zurücklegen, da passen wir schon auf.
Was uns zudem reichlich Zeit kostete war eine plötzliche Umleitung. Ich wollte schon anhalten, denn ich dachte aufgrund der Menschenmassen findet dort ein Stadtfest statt. Aber nachdem wir später plötzlich nur noch Feldwege vor uns sahen und nach dem richtigen Weg gefragt hatten, erklärte man uns, dass hier im Ort eine Brücke eingestürzt sei. Wir seien auf dem falschen Weg und die einzige Möglichkeit um in den nächsten 30 km entfernten Ort zu kommen bestehe darin, wieder zurück zu fahren und nach etwa 200 km Umweg wäre man dann dort. Da blieb uns ja nichts anderes übrig, blöderweise mussten wir auf der Strecke eine happige Autobahngebühr bezahlen. Und die beträgt normalerweise schon 7,50 R$, an Wochenenden und in der Ferienzeit sogar 11,50 R$, und das war beides der Fall. Das sind fast 4 Euro, für diese schlechten Straßen! Aber wir hatten keine Wahl, das war die einzige Möglichkeit weiter nach Norden zu kommen.
Diesmal wollten wir zum Übernachten eine Tankstelle aufsuchen und wir haben damals in Salta von Bekannten einen Flyer mit gut ausgebauten Postos von ´rede fletcha` bekommen. Diese sind Tankstellen und zugleich Busbahnhöfe. Dort gibt es Duschen und Restaurants und viel Platz um sich über Nacht sicher hinzustellen. Dort hielten wir an und freuten uns über die ordentlich Dusche. Die war nach einem Tag im Auto auch nötig, denn die Temperaturen liegen meist bei 30° und obwohl wir uns schon an die Hitze gewöhnt hatten (uns wird’s nachts schon bei 24° frisch!), klebrig sind wir trotzdem. Aber es war noch nicht so spät und wir wollten die nächsten Stunden nutzen, in ein nahegelegenes Shopping zu fahren. Die Stadt Campos hat zwar über 300.000 Einwohner, aber wir fuhren ewig und es kam kein Shopping eher siffige, verlassene und verfallenen Gegenden. Umdrehen wollten wir jetzt auch nicht mehr, da wir schon zu weit gefahren waren und die ganze Strecke am nächsten Tag nochmal hätten fahren müssen. Also hofften wir, bald aus der Stadt heraus zu sein und eine geeignete Tankstelle zu finden. Doch die erste schien mir nicht besonders sicher und zu Essen gab es auch nichts überzeugendes. Langsam wurde es Abend und wegen der schlechten Straßenverhältnisse sollte man auch nicht mehr bei Dunkelheit fahren. Endlich fanden wir eine kleine Tankstelle, es war zwar laut und heiß, dafür gab es dort leckeres Essen und wir konnten sicher über Nacht stehen bleiben.

Am nächsten Tag passierten wir Landschaften, die abwechselnd an Norddeutschland oder die Alpen erinnerten – nur halt mit Palmen. Immer schön grün und meist hügelig, dazwischen grasten Kühe oder Pferde, immer mal wieder kamen Reiter der zahlreichen Fazendas vorbei. Aber schon erstaunlich und vor allem traurig, dass gerade mal noch 90 % der Mata Atlântica übrig geblieben sind, der Rest ist der Abholzung zum Opfer gefallen. Aber trotzdem ist es dort sehr schön, immer wieder kommen wir an kleinen Orten vorbei, jeder davon hat mindestens eine kleine Kirche und die Leute lümmeln im Schatten der unzähligen Bars.
Zuerst wurden die Orte wieder touristischer, es roch stets nach Brathähnchen, die Strandbars reihten sich aneinander und die Brasilianer tummelten sich an den Stränden. Später wurden die Orte einfacher, alles war etwas ärmlich und runtergekommen und selbst die netten Beschreibungen des Reiseführers machten die Gegend nicht attraktiver. Ein paar Kilometer weiter wurde es wieder schöner, wir kamen nach Guaraparí, einer größeren am Meer gelegenen Stadt mit vielen Hochhäusern und von dort war es nicht mehr weit zum Praia Setiba. Dort befand sich der nächste CCB und wir waren mehr als überrascht. Der gepflegte Platz war direkt am Meer an einer süßen kleinen Bucht inklusive Bar, eingerahmt von flachen Felsen, von denen aus man ins Wasser springen konnte, und davor lagen ein paar Fischerboote. Die Bucht war voll mit Leuten, die ganz nach brasilianischer Art laute Musik hörten, und ihren Müll überall liegen ließen. (Das ist ein Thema, das uns total stört, aber die Brasilianer haben hierfür einfach kein Auge, vielmehr wurden wir belächelt, wenn wir unsere Zigaretten sammelten statt sie einfach in den Sand zu stecken! Oder wir haben den Müll anderer eingesammelt und ihn bei der Bar abgegeben, da lag er am nächsten Tag immer noch, außer dem Teil, den es wieder weggeweht hat!) Aber ansonsten herrschte buntes Treiben, dass wir auf Anhieb genossen. Was uns jedoch wunderte war, dass sich trotz der Hauptsaison, Sommerferien und eine Woche vor Weihnachten nur wenige Camper eingefunden hatten. Hatten wir doch vorher schon mehrmals gelesen und gehört, dass während der Saison ab Mitte Dezember alles gnadenlos überfüllt wäre. Aber man erklärte uns, das sei erst nach Weihnachten der Fall. So konnten wir uns ausbreiten wie wir wollten, suchten uns ein schattiges Plätzchen und genossen den tollen Platz. Am Abend sind wir gleich mal den Ort erkunden gegangen. Viel zu erkunden gab es ja nicht, am Praca, dem Dorfplatz, war ein Weihnachtsbaum mit Krippe dekoriert. Drum herum gab es zwei Supermärkte, einen Imbiss, zwei Kramsläden und eine Bar. Reicht ja auch! Dort haben wir uns gleich ein paar Bier schmecken lassen. Man bekommt ja ständig und von jedem etwas zu Essen oder Trinken angeboten, so auch an diesem Abend und wir haben sofort viele Leute kennen gelernt und kamen angeschwippst und mit zwei Einladungen für die nächsten Tage nach Hause. Doch hier lernten wir wieder mal dazu, daß die Brasilianer einfach unzuverlässig sind, bzw. quatschen halt gerne. Keiner der Gastgeber in spe tauchte auf, weder pünktlich, noch die klassische Stunde später, egal wie oft die Einladung ausgesprochen wurde. Aber das störte uns nicht weiter, wir haben es als aufschlussreichen Einblick in die brasilianische Gesellschaft angesehen. Dafür hatten wir einen witzigen Abend und trotzdem viele interessante Themen zur Sprache gebracht.

Die Tage verbrachten wir damit, lange Strandspaziergänge zu unternehmen und die Gegend zu erkunden. Da waren traumhafte Strände mit sichelförmigen Buchten, Felsen dazwischen, besagten Strandbars, und toller Landschaft. Oder lange einsame Strände mit wilden Wellen in verlassenen Gegenden. Das erfrischende Wasser war eine Wohltat an den heißen Tagen (bis zu 37°!), wobei wir am Wasser immer von einer angenehmen Brise verwöhnt wurden. Wir planschten und tollten, sprangen von den Felsen ins Wasser und schwammen um die Wette und holten unser Surfbrett raus. Aber mehr um es als Luftmatratze zu benutzen, denn Wellen gab es absolut keine. In der Bar von Roberto unterhielten wir uns öfter mit Brasilianern, und ließen uns mittags manchmal leckeren Fisch oder Meeresfrüchte schmecken oder kauften leckere Shrimpspieße oder Salgados (Salzgebäck mit verschiedenen Füllungen) bei den Strandverkäufern. Die sind sehr angenehm und unaufdringlich in Brasilien, wenn du nichts möchtest, dann lassen sie dich sofort in Ruhe.
In einiger Entfernung konnte man die Skyline von Guaraparí sehen, wohin wir ab und an eine Tour unternahmen. Dafür haben wir mal wieder öffentliche Busse in Anspruch genommen. Dort steigt man ein, zahlt bei einem extra Kassierer das Fahrgeld von 0,60 € und geht dann durch ein Drehkreuz mit Zähler. So kann keiner beschummeln. Blöd war jedoch, als ich einmal aus versehen das Kreuz einmal leer gedreht hatte, da wurde der Kassierer etwas grummelig, weil die Kasse nicht mehr stimmte, aber Mathias ist gleich über das Kreuz drüber gesprungen, so war alles wieder in Ordnung. Die Busfahrt war zwar heiß, aber schön, wir konnten in Ruhe die Gegend betrachten und innerhalb einer halben Stunde waren wir ohne lästige Parkplatzsuche im Zentrum. Dort konnten wir entspannt unseren Internetkram erledigen und einfach bummeln und die zahlreichen Geschäfte fürs Weihnachtsshopping abklappern. Und wir haben uns endlich mit einer Stange Kippen eingedeckt, denn im Ort (wie so oft in Brasilien) ist alles ausverkauft und bis da etwas nachgefüllt wird, das dauert immer. Und bei der Heimfahrt ließen uns die netten Busfahrer auch immer direkt an unserem Zeltplatz aussteigen.

Nach ein paar Tagen bekamen wir neue Nachbarn, Jairo, Neide, ihre zwei Kinder auch Jairo (17) und Jacqueline (12) und Jairos Enkelin Vitoria (7). Auf Anhieb waren alle recht interessiert an uns und wir kamen schnell ins Gespräch. Mit den Kindern spielten wir oft UNO und Neide lud uns sofort fürs Weihnachtsessen ein. Mit ihnen hatten wir viel Spaß, wir wurden von Neide täglich mit Essen versorgt oder auf einen Kaffe eingeladen, unterhielten uns gut und dank des flüssigen Englisch des Vaters gab es wenig Verständigungsschwerigkeiten. Die Kinder dagegen konnten trotz jahrelangem Englischunterricht gerade mal Sätze wie „what´s your name?“ oder „what time is it?“ (Antworten ausgeschlossen!) was uns schon sehr wunderte. Aber wie wir erfuhren, können in Brasilien in öffentlichen Schulen oftmals nicht einmal die Lehrer Englisch. Wie sollen es dann die Kinder lernen? Und die Aussprache leidet darunter natürlich auch sehr, wobei das Brasilianische ihr Übriges tut. Einmal fragte mich der Sohn, ob mir `Hockey´ gefällt. Ich wunderte mich schon etwas über die Frage, bis sich herausstellte, dass er Rock meinte! In Brasilien wird das ´r` am Anfang oft nur gehaucht und viele Wörter enden mit einem ´i`, bei ´de` oder ´te` entsprechend ´dschi`. So kommen dann auch Worte wie ´Hipihop` oder ´Internetschi` (sagt sogar Mathias schon!) heraus. Das mussten wir ja auch erst mal lernen, aber wenn du nach einem Netz (rede) fragst und dich keiner versteht, bis du es mit ´hedschi` versuchst, lernt man das auch.
Die ganze Familie war super nett und liebenswert, und auch die anderen Kinder am Platz kamen immer mal wieder vorbei. Wir haben gemeinsam eine Wasserschlacht veranstaltet, was ein großes Hallo hervorrief. Die Mädels stritten sich darum, wer den rosafarbenen Ballon bekommt! Klar. Die Kinder hier sind alle immer sehr lieb und nett, auch zueinander. Wir sehen - oder besser gesagt hören – selten Geschrei oder Streit, meist sitzen die Kinder brav mit den Großen zusammen oder beschäftigen sich alleine. Kinder werden hier auch absolut vergöttert, es gibt ja auch viele von ihnen, und selten wir es laut. Sehr angenehm, aber auch sehr ungewohnt.
Nachdem wir Weihnachten so schön verbracht hatten (siehe nächsten Bericht), hieß es für uns weiterfahren. Immer wieder kamen die Mädels zu uns und fragten, ob wir denn wirklich schon fahren müssten, oder nicht lieber noch ein bisschen bleiben wollten. Wir verabschiedeten uns schweren Herzens, aber es warten ja noch viele andere schöne Orte und Bekanntschaften in Brasilien auf uns. Brasilien ist ein wirklich schönes Land mit beeindruckender Natur, worauf die Brasilianer zu Recht stolz sein können. Die unmissverständliche und in jeder Situation angewandte Geste „Daumen hoch“ entspricht der positiven Einstellung der Bevölkerung. Die Leute sind äußerst herzlich und man kommt meist schnell in Kontakt. Wie uns schon öfter gesagt wurde sind richtige Freundschaften jedoch eher selten, da zählt hauptsächlich die Familie. Um so schöner Menschen wie Jairo und seine Familie kennen lernen zu dürfen, die uns mit so offenen Armen empfangen haben.